Gastbeitrag von Gerd Landsberg

Aktuelle Herausforderungen der Asyl- und Migrationspolitik aus Sicht der Städte und Gemeinden

Die Aufnahme, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen stellen die Städte und Gemeinden aktuell vor immense Herausforderungen.

Derzeit wurden rund 1,3 Millionen Menschen aus der Ukraine in Deutschland aufgenommen und registriert. Hinzukommen 217.774 Erstanträge im Jahr 2022, die von Asylsuchenden vor allem aus Syrien, Afghanistan und Irak gestellt wurden. Damit werden die Zahlen aus den Jahren 2015/2016 sogar überholt. Die Tendenz ist weiter steigend. Deutschland verzeichnet wie seit vielen Jahren im EU-Vergleich mit Abstand die meisten Asylanträge. Der Zuwachs der Vertriebenen aus der Ukraine, die Opfer des Erdbebens in der Türkei und Syrien und die Zahl der Asylbewerber aus weiteren Ländern zeigen, dass die Lage angespannt bleibt. Deutschland ist darüber hinaus innerhalb der EU das Hauptzielland von irregulärer Sekundärmigration aus Griechenland, aber auch aus Italien und Spanien.

Die Folgen des Ankunftsgeschehens zeigen sich in den Kommunen deutlich. Viele sind nicht zuletzt aufgrund des akuten Wohnraummangels, der fehlenden Kitaplätze und des ausgelasteten Bildungssystems an ihrer Leistungsgrenze angelangt. Trotz professionell entwickelter Unterbringungsstrukturen sind die Mehrzahl der staatlichen und kommunalen Unterkünfte belegt. Auch Privatunterkünfte, insbesondere für Menschen aus der Ukraine, sind kaum noch verfügbar. Die Kommunen stehen erneut, wie schon 2015/2016, vor der Frage, ob sie Turnhallen belegen, Container anmieten oder Traglufthallen oder Zeltunterkünfte bauen. Darüber hinaus fehlt es am haupt- und ehrenamtlichen Personal, um Unterkünfte zu vermitteln, zu bauen und zu betreiben. Das vorhandene Personal ist dabei oft erschöpft.

Angespannt ist die Lage ebenfalls, soweit es um die Bereitstellung von Plätzen in Kindergärten oder Schulen geht. Aktuell besuchen rund 200.000 ukrainische Schülerinnen und Schüler die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, Tendenz steigend. Es wird bei den registrierten Flüchtlingen aus der Ukraine von rund 20 Prozent Kindern im kindergartenfähigen Alter gesprochen. Es fehlt an Plätzen sowie am Personal. Dies gilt auch für die Sprach- und Integrationskurse. Ein besonderes Problem bei der Unterbringung und Betreuung stellt die Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge dar.

Eine große Herausforderung ist und bleibt der Umgang mit ausreisepflichtigen Asylbewerbern, die entweder nicht zurückgeführt werden können oder aus rechtlichen bzw. tatsächlichen Grünen nicht dürfen. Auch diese müssen in den Kommunen untergebracht und bei langem Aufenthalt integriert und finanziert werden.

Aus Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes brauchen wir eine Zeitenwende mit einer langfristigen Neuausrichtung der Migrationspolitik: Die Kommunen brauchen bei der Aufnahme von Flüchtlingen eine „Atempause“.

Dabei muss eine gesicherte und gerechte Verteilung der Geflüchteten in Deutschland, innerhalb der Bundesländer und Europa, gewährleistet werden. Die Kommunen müssen auf das Ankunftsgeschehen vorbereitet werden. Hier muss ein Frühwarnsystem des Bundes etabliert werden. Seit Jahren trägt Deutschland gemessen an der Einwohnerzahl die Hauptlast in Europa. Europäische Solidarität darf aber keine Einbahnstraße sein. Die EU muss sich endlich auf eine solidarische Lastenverteilung einigen. Auf europäischer Ebene bedarf es auch einer Verständigung über die Harmonisierung der Integrations- und Sozialleistungen. Die derzeit bestehenden erheblichen Unterschiede verstärken die ungleichmäßige Verteilung.

Es müssen deutlich mehr Aufnahmekapazitäten in Bund und Ländern geschaffen werden. Dort muss geprüft werden, ob eine Bleibeperspektive vorhanden ist oder nicht, und zwar bevor die Menschen auf die Kommunen verteilt werden. Der Bund muss durch die Bereitstellung von Liegenschaften zusätzlich zur kommunalen Unterbringung Wohnraum schaffen. Diese zusätzlichen Plätze müssen langfristig vorgehalten werden und im Hinblick auf neue Flüchtlingsbewegungen, aber auch weitere zivile Katastrophenfälle, einsetzbar sein. Bei der Unterbringung haben Bund und Länder nach dem 2. Flüchtlingsgipfel Mitte Februar 2023 Unterstützung signalisiert. Dies ist jedoch lediglich ein erster Schritt.

Die kommunale Ebene benötigt im Rahmen einer Fachkräfteoffensive personelle und finanzielle Unterstützung, um die Herausforderungen vor Ort bewältigen zu können.

Die Kommunen benötigen eine dauerhafte und nachhaltige Finanzierung für die Unterbringung und Integration der Geflüchteten. Bisher gibt es Finanzzusagen des Bundes nur bis zum Jahr 2023, insgesamt 2,75 Milliarden Euro. Das ist zwar anzuerkennen, reicht aber bei weitem nicht aus. Diese müssen Vorhaltekosten der Kommunen im Bereich der Unterkünfte, Kindertagesstätten und Schulen, aber auch die Kosten der Integration abdecken. Auch die Übernahme der Kosten für die geduldeten Flüchtlinge ist längst überfällig.

Die illegale Migration und die bessere Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern muss vorangetrieben werden. Das ist auch erforderlich, um die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht zu gefährden. Der Anstieg der illegalen Sekundärmigration innerhalb der EU sowie der illegalen Grenzübertritte in die EU muss begegnet werden, der Schutz der Außengrenzen weiter verstärkt und der notwendige politische Druck auf Drittstaaten, die ihre Bürgerinnen und Bürger, die kein Bleiberecht in der EU haben, nicht zurücknehmen wollen, verstärkt werden.

 

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