Diskussion zum modernen Staat

Bürgernah, leistungsstark, klimaneutral: Wie kann der Verwaltungsumbau gelingen?

Um die zahlreichen Aufgaben des Staats und der öffentlichen Verwaltung bewerkstelligen zu können, bedarf es neben angemessener personeller und sachlicher Ressourcen auch die richtigen Prozesse.

Die zentralen Herausforderungen unserer Zeit - der Klimawandel und die digitale Transformation - erfordern, auch mit Blick auf den Fachkräftemangel, eine Verwaltungsmodernisierung. Doch welche Maßnahmen müssen dabei umgesetzt werden? Und an welcher Stelle können bneispielsweise Bund, Länder und Kommunen voneinander lernen?

Nach Auffassung von Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, ist die Meinung der Bürgerinnen und Bürger über die Veraltung „gar nicht so schlecht“. Die derzeitige zentrale Herausforderung sei, alle Verwaltungsdienstleistungen bis Ende des Jahres wie im Onlinezugangsgesetz (OZG) vorgeschrieben, abzubilden. „Schaffen werden wir das sicher nicht. Wir versuchen es, konzentrieren uns dabei aber erst einmal auf die wesentlichen Dienste.“ Dabei sei die Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger enorm hoch. Leider sei „die Verwaltung aber noch weit entfernt vom Amazon-Prinzip ´heute bestellt, morgen geliefert´, denn wir machen immer noch analoge Gesetze, die in den Kommunen digital umgesetzt werden sollen. Da müssen wir noch besser werden.“ Ausdrücklich betonte er, dass sich das „Amazon-Prinzip“ aber nicht auf die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst beziehen dürfe. „Im Gegenteil ist ein weiterer wesentlicher Faktor bei der Verwaltungsdigitalisierung die Fachkräftegewinnung. Wir werden gerade im IT-Bereich zwar niemals das zahlen können, was die Wirtschaft zahlt. Dafür können wir junge Leute mit weichen Faktoren wie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sicheren Arbeitsbedingungen und fairen Karrierechancen binden und sollten offensiver damit werben.“

Bürgerinnen und Bürger wollten vor allem schnelle Alltagsdienstleistungen, die sie bei ihrer Kommune niedrigschwellig abrufen können. Dabei müsse es natürlich auch Angebote für Menschen geben, die mit dem Digitalen nicht so gut zurechtkommen. „Allerdings führt hier die deutsche Sehnsucht nach der Einzelfallgerechtigkeit zu einem zu großen Wust an Einzelvorschriften. Wenn die sich dann auch noch alle drei Wochen ändern, können wir nur verlieren.“
Grundsätzlich sprach sich Landsberg für mehr Einheitlichkeit aus. Beispielsweise wurde die Software „Sormas“ zur Kontaktverfolgung bei Corona-Infektionen bundesweit eingeführt – „ein Modell, aus dem wir lernen können, denn letztlich kann nicht jede Kommune in allen Bereichen ihr eigenes Ding machen, wenn Digitalisierung funktionieren soll.“

Prof. Dr. Sabine Kuhlmann, stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrates (NKR), nannte zahlreiche „Verwaltungsbaustellen“, die der NKR in seinen Analysen stets im Zwiespalt zwischen Lippenbekenntnissen und Umsetzbarkeit betrachte - ganz vorne dabei das „Once-Only-Prinzip, bei dem Bürgerinnen und Bürger Daten nur einmal eingeben müssen, um damit viele übergreifende Verwaltungsdienstleistungen nutzen zu können“. Um das zu erreichen, müssten Gesetze immer auch auf ihre Digitaltauglichkeit abgeklopft werden, damit sie in den Institutionen des Staates ebenenübergreifend umgesetzt werden könnten. Weiter müssten Planungsverfahren beschleunigt und die Verwaltungskultur modernisiert werden.

Dass Empfehlungen des NKR oft nicht in Politik und Verwaltung ankommen sah Kuhlmann auch dem sehr komplexen deutschen Governance-Gefüge geschuldet: „Der Teufel steckt hier auch in den Details der Umsetzung im föderalen System mit seinen oft schleppenden Prozessen.“ Hinzu kämen Probleme, die aus allgemein fehlendem Personal, zu wenigen Fachkräften und mangelnder durchsetzungsstarker Federführung resultierten: „Entscheidungsstrukturen müssen in Deutschland einfach verbindlicher werden. Nicht jeder muss alles selbst erfinden. Stattdessen wäre es effektiver, wenn einmal entwickelte, praktikable digitale Lösungen an anderer Stelle niederschwellig übernommen würden.“

Mit Bezug auf den Klimaschutz betrachtete Kuhlmann die Verwaltung und ihre Verfahren als geeignetes Vehikel, um Klimaschutzziele zu erreichen: „Eine Stellschraube dabei sind zum Beispiel die Planungs- und Genehmigungsverfahren. Werden die beschleunigt, kann auch das als Beitrag der Verwaltung zum Klimaschutz bewertet werden.“ Doch auch in diesem Bereich müssten die Digitalisierungsgrundlagen meist noch geschaffen werden, um Verfahrensbeschleunigung in die Fläche zu bekommen. Das gelinge nur, wenn alle Facetten von Verwaltung berücksichtigt würden, darunter auch die Gesetzesvorbereitung innerhalb der Verwaltung. „Gesetze müssen Vollzugs- und Praxistauglich sein“, so Kuhlmann.

„Als ich das Amt des Oberbürgermeisters von Wuppertal übernahm, fehlte mir die Innensicht auf die Arbeit einer Verwaltung. Inzwischen kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass die Stadtverwaltungen - gerade auch unter den Herausforderungen der Corona-Pandemie - in vielen Bereichen sehr viel besser und agiler aufgestellt, als man von außen wahrnimmt“, sagte Prof. Dr. Uwe Schneidewind, der seit November 2020 Chef im Wuppertaler Rathaus ist.

In einer kommunalen Verwaltung könne man viele Jobs ausüben ohne den Arbeitgeber zu wechseln. Doch leider sei das nicht genügend bekannt, bedauerte Schneidewind: „Wir müssen junge Leute stärker begeistern und überzeugen, dass sie sich als Beschäftigte der kommunalen Verwaltung gut und kreativ verwirklichen können. Was wir brauchen, sind Menschen, die vor Ort Bürgernähe zeigen und sich zugleich aktiv auf veränderliche Prozesse einstellen können.“ Eine „gut gemachte Image-Kampagne“, die zeige, wie spannend Jobs in der kommunalen Verwaltung sind, könne hier hilfreich sein.

Klimaneutralität bewertet der Wuppertaler Oberbürgermeister - neben der Digitalisierung - als das zentrale Thema für die kommunale Verwaltung. „Der Klimaaspekt muss bei uns inzwischen in allen Bereichen mitgedacht werden. Als positiver Nebeneffekt kommt hinzu, dass er junge Leute zu uns bringt, die sich auf Stellen im Bereich Klimaschutz bewerben“. Das Vorhaben, Wuppertal bis 2034 klimaneutral zu mache,n bezeichnete Schneidewind als Mammutaufgabe mit hohem Investitionsbedarf. „Wir schaffen in den Kommunen im Kleinen viele Inseln des Gelingens, die Bund und Ländern als Vorbild im Großen dienen können. Die Städte sind die Lernräume, das Skalieren kriegt aber keine Kommune so gut hin, um aus eigener Kraft bis 2034 klimaneutral zu sein.“

Für dbb Chef Ulrich Silberbach ist die Digitalisierung „die Schlüsselkompetenz für die Qualität des öffentlichen Dienstes: Wir sind nicht schlecht, aber wir müssen besser werden. Und das gelingt, durch konsequente Investitionen in gutes Personal und gute Aus-und Weiterbildungsangebote.“ Der öffentlichen Verwaltung fehle noch immer ausreichend professionelles Knowhow, so Silberbach weiter. Auch der dbb halte es für richtig und wichtig, junge Leute stärker für den öffentlichen Dienst zu begeistern, und ihnen zu vermitteln, „dass das kein konservativer Laden, sondern ein moderner Arbeitgeber ist. Dazu gehört freilich auch, dass wir besser bezahlen und uns etwa auch von so etwas wie der sachgrundlosen Befristung verabschieden. Die ist ein Handicap, das wir dringen loswerden müssen.“

Das Thema Klimaschutz werde dem öffentlichen Sektor noch schwere Sorgen bereiten, zeigt sich der dbb Bundesvorsitzende überzeugt: „Staat und Verwaltung werden horrende Summen auf den Weg bringen müssen, um die Klimaneutralität umzusetzen. Die öffentliche Hand muss ihrer Vorbildfunktion gerecht werden.“ Von privaten Hausbesitzern etwa könne nicht verlangt werden, dass sie hohe Auflagen erfüllen, während bei öffentlichen Gebäuden nicht das mindeste davon umgesetzt werde. „Wenn wir hier nicht Geld in die Hand nehmen, werden wir ein massives Glaubwürdigkeitsproblem bekommen.“

Was die Modernisierung staatlicher Dienstleistungen angehe, müssten der Anspruch der Menschen, welche staatlichen Dienstleistungen sie wann in Anspruch nehmen wollen, und der politische Wille zusammengebracht werden, regte Silberbach an: „Wenn das geschehen ist, steht die Verwaltung bereit, das Gewünschte umzusetzen.“

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