18. Bundesjugendtag in Berlin

dbb jugend wählt neues Spitzenteam – Karoline Herrmann übernimmt Vorsitz

Der dbb Bundesjugendtag ist das oberste Beschlussgremium der dbb jugend und tritt alle fünf Jahre zusammen. Er wählt die neue dbb Bundesjugendleitung und legt die berufs- und jugendpolitischen Richtlinien der dbb jugend fest. In Berlin trafen sich dazu am 12./13. Mai 2017 insgesamt 180 Delegierte aus allen Mitgliedsverbänden der dbb jugend. Auch zahlreiche Gäste aus Politik, Verwaltung und Verbänden fanden sich bei der Nachwuchsorganisation des dbb beamtenbund und tarifunion ein, um die bisherige Bundesjugendleitung würdig zu verabschieden und das neue Spitzenteam um Kommunalbeamtin Karoline Herrmann aus Schwerin im Amt zu begrüßen.

Karoline Herrmann (komba jugend) ist neue Vorsitzende der dbb jugend. Die 27-jährige Kommunalbeamtin aus Schwerin wurde von den 180 Delegierten des 18. Bundesjugendtags am 12. Mai 2017 mit 93,3 Prozent an die Spitze der dbb Nachwuchsorganisation gewählt. Herrmann folgt auf Sandra Kothe, die die dbb jugend seit 2009 erfolgreich geführt hatte und von den Delegierten mit stehenden Ovationen verabschiedet wurde. An Herrmanns Seite wählten die Delegierten als Stellvertreter Liv Grolik (31), Junge Polizei, Verwaltungsbeamtin bei der Behörde für Inneres/Polizei aus Hamburg, Robert Kreyßing (28), VBOB-Jugend, Regierungsinspektor im Bundesministerium für Bildung und Forschung aus Berlin, Patrick Pilat (28), VDStra-Jugend, Straßenwärter beim Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg aus Oderberg, sowie Christoph Strehle, (27), DSTG-Jugend, Finanzbeamter aus Kaufbeuren.

Ebenso wie die bisherige dbb jugend-Vorsitzende Sandra Kothe hatten sich deren Stellvertreter Michael Gadzalla, Marco Karbach und Steffen Kollmann nicht mehr zur Wahl gestellt und wurden vom Bundesjugendtag feierlich verabschiedet.

Herrmann fordert Sicherheit und Perspektiven

Die neue dbb jugend-Vorsitzende Karoline Herrmann kündigte an, dass die dbb jugend auch in Zukunft für mehr Generationengerechtigkeit und institutionalisierte Partizipation der jungen Menschen kämpfen werde. Im öffentlichen Dienst gelte es, eine nachhaltige demografiefeste Personalpolitik zu installieren, die dem Berufsnachwuchs „Sicherheit und Perspektiven statt Massenbefristung und Geringschätzung“ garantiere. „Es kann nicht angehen, dass diejenigen, die in den kommenden Jahren das Funktionieren von Bildung, Gesundheit, Sicherheit, Daseinsfürsorge und Infrastruktur sicherstellen sollen, schon heute ausgebremst werden“, machte Herrmann deutlich.

Erfolgsbilanz für bisherige Bundesjugendleitung

Den Wahlen zum neuen Spitzenteam voraus ging die Bilanz der bisherigen Bundesjugendleitung mit der Vorsitzenden Sandra Kothe und ihren Stellvertretern Liv Grolik, Michael Gadzalla, Marco Karbach und Steffen Kollmann – eine ausgesprochen erfolgreiche, wie der beeindruckende Geschäftsbericht über die vergangenen fünf Jahre zeigte: Die dbb jugend ist sichtbarer geworden, mittlerweile unter anderem auch als starke Kraft im Tarifbereich. Das und eben das öffentlichkeitswirksame Agenda Setting der Themen Gewalt gegen Beschäftigte und Diversity haben zu einem sehr hohe Identifikationsgrad innerhalb der dbb jugend geführt, berichtete Kothe in ihrer emotionalen Ansprache an den Bundesjugendtag. Als einen großen Erfolg wertete die scheidende Bundesjugendleitung die Gründung der CESI Youth als wertvoller Nachwuchsorganisation der europäischen Gewerkschaftspartner. Ebenfalls gewonnen haben in den vergangenen Jahren die Seminar- und Netzwerkarbeit der dbb jugend, in der Politik ist man ebenso angekommen wie in der Dachorganisation der deutschen Jugendverbände, dem Deutschen Bundesjugendring (DBJR), so Kothe. Auch innerhalb des dbb hat sich der dbb-Nachwuchs als „starke Stimme“ etabliert und mit den diversen Querschnittsorganisationen koordiniert, so wurde beispielsweise mit der dbb bundesseniorenvertretung ein gemeinsamer Flyer zum Thema Generationengerechtigkeit herausgegeben. Gleichwohl betonte Kothe, dass es in Sachen Jugendbeteiligung „nicht immer nur bei blumigen Versprechungen und symbolischem Kopftätscheln“ bleiben dürfe. „Es geht um institutionalisierte und damit nachhaltig gewahrte Generationengerechtigkeit“, betonte die scheidende Vorsitzende. „Dazu gehört eben auch eine wirksame Beteiligung und gewichtige Mitbestimmung bei wesentlichen Entscheidungen, die insbesondere die Zukunft der jungen Generation betreffen.“ Aus diesem Grund werde die dbb jugend auch weiterhin auf noch mehr Akzeptanz und Beteiligung des Nachwuchses drängen, sagte Kothe. „Die Etablierung von eigenständigen Strukturen und die Einforderung der notwendigen Partizipation junger Menschen an den Entscheidungsprozessen wird weiterhin die große Herausforderung der Jugendverbandsarbeit sein.“

„Auf uns ist Verlass – wenn man uns lässt“

Unmittelbar an ihre Vorgängerin anknüpfend, hob dann auch die neue dbb jugend-Chefin Karoline Herrmann in ihrer ersten öffentlichen Rede in neuer Funktion hervor: „Auf uns ist Verlass – wenn man uns lässt“, sagte sie vor den Delegierten und Gästen zur Eröffnung der Öffentlichen Veranstaltung. Zu dem Festakt hatten sich zahlreiche Prominente aus den Reihen des dbb eingefunden, unter anderem die Vertreter der Bundesleitung und zahlreiche Bundesvorsitzende und Landesbund-Chefs. Ihnen stellte Karoline Herrmann mit Blick auf mehr konkrete Teilhabe des Nachwuchses die Frage: „Warum hat die dbb jugend keinen Sitz in der dbb Bundesleitung?“

Nun gehe es darum, ein wirkliches „Wir“ der Generationen zu schaffen, forderte Herrmann. „Es ist an der Zeit, über eine Stimmgewichtung bei Wahlen nachzudenken, damit die Jüngeren überhaupt noch Einfluss auf Zukunftsentscheidungen haben, denn schließlich sind sie – in Deutschland leben immerhin rund 22 Millionen Kinder und Jugendliche – diejenigen, die den Löwenanteil der politischen, ökonomischen und sozialen Folgen der Entscheidungen von heute schultern werden“, machte die dbb jugend-Vorsitzende deutlich. Sie halte die Einführung einer verbindlichen Gesetzesfolgenabschätzung für Generationen für zwingend, so Herrmann.

Auch der öffentliche Dienst müsse attraktiver für den Nachwuchs werden, betonte Herrmann mit Blick auf „abenteuerliche Befristungs- und Nicht-Übernahmequoten, völlig unverhältnismäßige Absenkungen von Eingangsbesoldungen und sehr, sehr überschaubare Karriereperspektiven und Anreizsysteme, Technik, die leider oft gar nicht begeistert, eine Führungskultur, die das Buchstabieren von Wertschätzung hier und da immer noch fleißig übt, Professionalitäts- und Diversity-Defizite, die man als junger Mensch eigentlich längst überwunden glaubte“. Auch die zunehmenden Aggressionen und Attacken gegenüber Beschäftigten des öffentlichen Dienstes hätten eine abschreckende Wirkung auf den Nachwuchs, gab Herrmann zu bedenken und forderte mehr Prävention und Schutz seitens der Arbeitgeber und Dienstherrn.

Mehr Partizipation für Gewerkschaftsnachwuchs

Für eine stärkere Sichtbarkeit und mehr Partizipation der Gewerkschaftsjugend plädierte auch der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt: „Der Gewerkschaftsnachwuchs darf und soll sichtbar auftreten. Das gilt nicht nur für die vorderen Reihen von Tagungen oder das Fahnenschwenken bei Demonstrationen. Vertrauensleute, Personalvertreter und Betriebsräte vor Ort in den Dienststellen sollten sich beispielsweise nicht ausschließlich aus rentennahen Jahrgängen rekrutieren“, sagte der dbb Chef vor dem Bundesjugendtag und appellierte an die Jugendvertreter der über 40 dbb Mitgliedsgewerkschaften: „Engagiert Euch, bitte gerne auch als Funktionsträger in unseren Strukturen.“ Dauderstädt gratulierte der neuen Bundesjugendleitung und würdigte die Leistungen der dbb jugend in den vergangenen Jahren: „Wir sind stolz und dankbar für Euren Einsatz.“ So habe der Gewerkschaftsnachwuchs etwa mit seinem flächendeckenden Engagement während der Einkommensrunden bei Bund, Ländern und Kommunen sowie öffentlichkeitswirksamen Events wie den Ausbildungsstartaktionen, der Wertschätzungskonferenz gegen Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst, parlamentarischen Abenden und der „Talentschmiede“, einem individualisierten Training für junge Gewerkschafter, wertvolle Akzente gesetzt. Zudem sei es dem Engagement der dbb jugend zu verdanken, dass die CESI (Confédération Européene des Syndicats Indépendants/Europäische Union der Unabhängigen Gewerkschaften) als europäischer Dachverband des dbb seit 2013 auch eine eigenständige Jugend, die CESI Youth, wachsen sehe.

Staatssekretär Engelke: „Sie sind Vorbilder!"

„Sie sind Vorbilder!“, schrieb Hans-Georg Engelke, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, dem dbb-Nachwuchs ins Stammbuch: „Wir finden es toll, dass Sie sich beteiligen, dass Sie sich einbringen und engagieren“, sagte Engelke in seinem Grußwort. Zugleich appellierte er an den Berufsnachwuchs des öffentlichen Dienstes, sich selbst als Botschafter des Staatsdienstes gegenüber anderen jungen Menschen, auch und insbesondere jenen mit Migrationshintergrund, zu begreifen. „Wir brauchen Sie – Sie sind die Botschafter, die Kommunikatoren des öffentlichen Dienstes, machen Sie Werbung, gehen Sie weiter an die Schulen, erklären Sie den öffentlichen Dienst und erzählen Sie auch von den durchaus attraktiven Arbeitsbedingungen.“ Der Staatssekretär zitierte seinen Minister Thomas de Maizière: „Warten Sie nicht darauf, dass die Älteren sich ändern, machen Sie uns Feuer unter dem Hintern“ – und ergänzte: „Gestalten Sie weiter unser Land mit, sein Sie ein gutes Vorbild.“

Jugendorganisationen als Partner demokratischer Politik

Die Grüße von Bundesjugendministerin Manuela Schwesig überbrachte Bettina Bundszus-Cecere, Abteilungsleiterin Kinder und Jugend im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). „Wir unterstützen Sie gerne, damit Sie angemessen wahrgenommen werden“, sagte Bundszus-Cecere an die Adresse der dbb jugend, die wie alle Jugendorganisationen stets vor der Herausforderung stehe, „nicht zu laut, aber auch nicht zu leise“ sein zu dürfen – „ich finde, Sie haben in Ihrer wunderbaren Rede den richtigen Ton getroffen“, sagte die Vertreterin des Bundesministeriums in Richtung der neuen dbbj-Vorsitzenden Herrmann. Das Bundesressort, das für eine Politik von, mit und für Jugendliche eintrete, schätze sich glücklich, die dbb jugend hierbei als Partner zur Seite zu haben, betonte Bundszus-Cecere. „Sich einmischen, die Stimme auch für andere erheben – das ist Kern von Gewerkschafts- und Jugendarbeit. Das ist Art demokratisches Labor, und damit leisten Sie einen großartigen Beitrag für Partizipation, Politische Bildung, Persönlichkeitsentwicklung und Meinungsfindung. Wir brauchen die Jugendorganisationen als Partner – heute mehr denn je“, so die Abteilungsleiterin, „die dbb jugend ist wertvoller Bestandteil unseres Netzwerks, und wir danken Ihnen für Ihr ehrenamtliches Engagement. Dass Sie Verantwortung übernehmen, ist von großem Wert für uns alle.“ Bundszus-Cecere bekräftige die Forderungen der dbb jugend nach mehr Teilhabe und Generationengerechtigkeit und wies in diesem Zusammenhang auf den so genannten Jugend-Check hin, eine Gesetzesfolgenabschätzung für junge Menschen, die das Bundesjugendministerium gerne gesetzlich verankert hätte, aber leider keine Mehrheit dafür fand. Auch die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz sei ein Ziel, daher unterstütze das BMFSFJ entsprechende Gesetzentwürfe und Anträge verschiedener Länder im Bundesrat.

Beraten und beschlossen: Das politische Programm

Nach den Wahlen und der Öffentlichen Veranstaltung schritt der Bundesjugendtag zur Beratung und Beschlussfassung über das politische Programm der dbb jugend für die kommenden fünf Jahre. Ein deutliches Zeichen setzte das Gremium mit der Entschließung für mehr Schutz und Sicherheit für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Zwar könne die Politik wenig Einfluss nehmen auf eine zunehmende Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft, heißt es im Entschließungstext. „Sie kann aber sehr wohl Regelungen und Maßnahmen beschließen, mit denen man den Schutz und die Sicherheit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst signifikant erhöhen kann.“ Welche konkreten Dinge unternommen werden können, führt die Entschließung mit Blick auf allgemeine Standards, rechtliche Aspekte, Besonderheiten des Innen- und Außendienstes sowie Aus- und Fortbildung im Einzelnen näher aus.

Attraktivität und Generationengerechtigkeit

Die drei Leitanträge der Bundesjugendleitung zu den berufspolitischen Kernthemen, denen sich die dbb jugend bereits seit Jahren widmet, wurden ebenso wie die Entschließung einstimmig von den Delegierten verabschiedet. Unter der Überschrift „Jugend 4.0 – Attraktiver öffentlicher Dienst“ werden faire und leistungsgerechte Einkommens- und Beschäftigungsbedingungen für den Berufsnachwuchs gefordert – gerade angesichts der Herausforderungen, die die Altersstruktur in Verwaltungen und Behörden und der demografische Wandel allgemein mit sich bringen. Auch die Digitalisierung der Arbeitswelt bringe Entwicklungen mit sich, bei denen der öffentliche Dienst als Arbeitgeber Schritt halten müsse, betont der Leitantrag. Gefordert werden eine angemessene technische Ausstattung, flexiblere Arbeitszeitmodelle, Telearbeit, gewarnt wird vor Arbeitsverdichtung und den Risiken ständiger Erreichbarkeit. Ebenso wichtig ist dem Nachwuchs die attraktivere Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst: Mit einem Übermaß an Befristungen, einem zersplitterten Besoldungsrecht im Abwärtswettbewerb, teilweise überholten Ausbildungsinhalten und -formen sowie fehlenden Leistungsanreizen und Karriereperspektiven sei junger motivierter Nachwuchs kaum zu gewinnen, so der Grundgedanke der Beschlussvorlage.

Auf Generationengerechtigkeit im Sinne einer für alle Beteiligten fairen Interessen- und Alterssicherung und die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements zielten die beiden weiteren Leitanträge ab, die die Bundesjugendleitung dem BJT vorlegte.

Insgesamt hatten die Delegierten über mehr als 70 Anträge zu entscheiden und folgten dabei in konstruktiven Beratungen und zügigen Beschlüssen ganz überwiegend den Empfehlungen der Antragskommission. Auch eine Satzungsänderung stand auf der Agenda: Das Statut wurde um die Grundsätze von Diversity als verpflichtendes Handlungsprinzip der dbb jugend ergänzt, die Organisation wird in diesem Sinne künftig auf gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen auch innerhalb des Verbandes hinwirken.

Mit Blick auf die Teilhabe der dbb jugend in den Gremien des dbb verabschiedeten die Delegierten erneut einen Antrag auf Änderung der dbb-Satzung, nachdem der letzte Anlauf dieser Art – Auftrag des BJT 2012 – bislang ohne zufriedenstellendes Ergebnis geblieben ist: „Zum Gewerkschaftstag des dbb soll die dbb jugend (Bund) beantragen, dass § 24 der Satzung des dbb um einen neuen Absatz 7 ergänzt wird, der wie folgt lautet: ‚Der/die Vorsitzende der dbbj (Bund) nimmt an den Sitzungen der dbb Bundesleitung mit beratender Stimme teil.‘“ Die Jugend strebe eine echte Beteiligung der Jugend bei der Arbeit des dbb an und möchte Themen und Interessenlagen des dbb von Beginn an auch mit dem Blick der jungen Generation betrachtet sehen, heißt es in dem von der Bundesjugendleitung eingebrachten Antrag. „Dies kann nur durch eine frühestmögliche Einbindung der Jugend geschehen.“ Damit wird sich der dbb Gewerkschaftstag im November 2017 in Berlin also erneut beschäftigten.

„#InMagentaWeTrust – Jugend 4.0“ lautete das Motto des diesjährigen Bundesjugendtags in Berlin, und mit der „freien Übersetzung“ dieses Slogans, den ihnen ihre neue Vorsitzende in ihrer Vorstellungsrede geliefert hatte, fuhren die Delegierten nach zwei ereignis- und arbeitsreichen Tagen wieder nach Hause, um sich an die Arbeit zu machen: „Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar!“ (Karoline Herrmann zitiert Astrid Lindgren)

 

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