Demografie - dbb fordert „Willkommensphilosophie“ für Fachkräfte und familienbewusstere Arbeitswelt

Um den demografischen Problemen wirksam zu begegnen, braucht der öffentliche Dienst in Deutschland tiefgreifende Veränderungen. Darauf hat der dbb Bundesvorsitzende Peter Heesen hingewiesen. So müsse sich der Arbeitsmarkt auch in diesem Bereich stärker für Menschen aus anderen Ländern öffnen. „Der Bürokratismus, der häufig noch der Gewinnung ausländischer Fachkräfte im Wege steht, muss abgebaut werden“, forderte Heesen auf dem 7. Demografie-Kongress des Behörden Spiegel am 5. September 2012 im dbb forum berlin.

„Viele, die gut sind, werden nicht auf den deutschen Arbeitsmarkt gelassen, weil die Bürokratie bei der Prüfung ihrer Berufsabschlüsse sie daran hindert. Das können wir uns nicht länger erlauben.“ Der dbb Chef forderte den öffentlichen Dienst auf, stattdessen eine „Willkommensphilosophie“ für Fachkräfte zu entwickeln.

Für eine familienbewusstere Gestaltung der Arbeitswelt plädierte die stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Kirsten Lühmann. „Wir müssen der Familie als kleinster und wichtigster Einheit des menschlichen Zusammenlebens mehr Zeit und Gestaltungsraum für Fürsorge und Verantwortung geben – auch und gerade in der Arbeitswelt“, forderte die dbb-Vize anlässlich der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe „Familie als Gemeinschaft stärken“, die am selben Tag von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder in Berlin eröffnet wurde und neben anderen AGs die Demografiestrategie der Bundesregierung konkretisieren soll.

Dabei dürfe das Familienbewusstsein sich nicht auf Teilzeitmodelle und Elternzeitregelungen beschränken, sondern müsse ganzheitlich gedacht werden, so Lühmann: „Wer über Jahre nur eine befristete Anstellung erhält, wird weniger bereit sein, die Verantwortung für die Gründung einer Familie zu übernehmen. Gleiches gilt für Beschäftigte, die trotz Vollerwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt wegen zu geringem Lohn nicht bestreiten können. Bei den angedachten Maßnahmen darf auch die stetig wachsende Gruppe der Leiharbeiter nicht übersehen werden. Unterschiedliche Einsatzorte, unterschiedliche Arbeitsbedingungen nebst Arbeitszeiten und oftmals geringer Lohn stellen sich als Hemmschuh für eine erleichterte flexible Zeitgestaltung von Familien dar“, erläuterte die dbb-Vize.

Heesen hatte auf den gewaltigen Personalabbau im öffentlichen Dienst verwiesen. Seit 1993 sei die Zahl der Beschäftigten von 5,3 auf unter 3,6 Millionen gesunken. Zudem müssten 760.000 Beschäftigte, die in den nächsten Jahren aus Altersgründen ausscheiden, ersetzt werden – trotz Personalmangels auf dem Arbeitskräftemarkt. „Ein weiterer Stellenabbau ist ausgeschlossen“, machte Heesen klar. Da der öffentliche Dienst angesichts der Haushaltslage nicht wie die Wirtschaft mit besserer Bezahlung punkten könne, müsse nach Alternativen gesucht werden, um eine Beschäftigung für junge Leute attraktiv zu machen. „Zwar ist die Sicherheit des Arbeitsplatzes immer noch ein großes Pfund, aber wir müssen uns auch bei der Ausgestaltung der Arbeitsplätze bewegen.“ Zu wenig sei bislang auch getan worden, um eine Verlängerung der Lebensarbeitszeiten zu ermöglichen. „Hier sollte es weniger starre Regelungen und mehr Flexibilität geben“, mahnte der dbb Chef. Möglichkeiten, beim Wechsel vom öffentlichen Dienst in die Wirtschaft und umgekehrt Altersversorgungsansprüche mitzunehmen, müssten ausgebaut werden: „Wir brauchen das vor allem in Bereichen wie IT, Ingenieur- und Naturwissenschaften, wo der öffentliche Dienst schon heute schlecht aufgestellt ist.“ Heesen sagte, insgesamt seien „Mut und Gestaltungskraft“ notwendig, und fügte hinzu: „Wenn wir uns nicht umstellen, dann werden wir umgestellt.“

Lühmann sprach im Zusammenhang mit einer familienbewussteren Arbeitswelt auch die Kinderbetreuung an: „Eltern brauchen maßgeschneiderte, qualitativ hochwertige Kinderbetreuungsangebote, um ihren Job gut machen zu können. Die Bereitstellung dieser Betreuungsangebote muss für den Staat oberste Priorität haben.“ Gleichzeitig müsse darüber nachgedacht werden, „die finanziellen Belastungen der Kinderbetreuung für die Eltern, die ja arbeiten gehen sollen und – siehe demografischer Wandel – schlichtweg müssen, abzufedern“. So fordere der dbb seit langem die vollständige steuerliche Absetzbarkeit erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten. „Zur Debatte könnten wir auch stellen, ob Eltern für die Betreuung überhaupt Gebühren zahlen sollen“, schlug Lühmann vor. „Durch den Verzicht auf die Gebühren könnte erreicht werden, dass mehr Eltern ihre Kinder in den Kindergarten geben. Dies würde einerseits zeitliche Entlastung für mehr Eltern bringen, andererseits könnte mehr Nachwuchs von frühkindlicher Bildung profitieren.“

Die Bundesregierung hatte am 25. April 2012 ihre Demografiestrategie verabschiedet. Zur Weiterentwicklung und Konkretisierung wurden neun Arbeitsgruppen unter der Gesamtfederführung des Bundesministeriums des Innern zu speziellen Fachfragen eingesetzt. Der dbb ist in vier Arbeitsgruppen vertreten.

 

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