11. Frauenpolitische Fachtagung der dbb bundesfrauenvertretung

Gender Budgeting als Gerechtigkeitsgebot

Am 25. März 2014 hat die 11. Frauenpolitische Fachtagung der dbb bundesfrauenvertretung stattgefunden. Das Thema: „Was verdient die andere Hälfte des Himmels? Gender Budgeting als Gerechtigkeitsgebot“. Der Hintergrund: Frauen verdienen im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer; im öffentlichen Dienst trotz gleicher Eignung und Leistung beträgt die Differenz immerhin noch acht Prozent. Abhilfe schaffen könnte die Verteilung öffentlicher Finanzmittel über das Steuerungsinstrument des Gender Budgeting. Was dahinter steckt, wie es gehen könnte, und warum es bis zur Gleichstellung noch lange dauern wird, diskutierten Fachfrauen und Fachmänner vor rund 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im dbb forum berlin.

Helene Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, bezeichnete Gender Budgeting in ihrer Einführung als ein dringend notwendiges Mittel, um durch geschlechtersensible Haushaltspolitik die gleiche Teilhabe von Männern und Frauen am öffentlichen Leben zu verwirklichen: „Gender Budgeting ist ein zentrales Verwaltungsinstrument, das Budgetverantwortlichen dabei hilft, sich einen unverstellten Blick auf die eigene Haushaltspolitik zu verschaffen. Es ermöglicht, Gleichstellung gezielt über den kontrollierten Einsatz von Steuermitteln zu steuern“. Gerade die gerechtere Verteilung von familienpolitischen Leistungen sei mit kluger und geschlechtersensibler Kosten-Nutzen-Abwägung bei der Haushaltsmittelverteilung möglich.

In gezielten Gender Budget-Analysen sieht Wildfeuer zudem den Schlüssel zu einem diskriminierungsfreien öffentlichen Arbeitsmarkt. Europäische Arbeitsmarktförderung könne so abgerufen werden, dass die damit finanzierten Projekte nicht zum einseitigen Vorteil für Männer oder Frauen gerieten. Dies sei angesichts der hohen geschlechterbedingten Verdienstunterschiede und dem niedrigen Arbeitsvolumen von Frauen in Deutschland dringend geboten. „Von einer frauen- und familienfreundlichen Arbeitswelt können wir bisher nur träumen! Es fehlen beinahe überall Ganztagsbetreuungsangebote, und noch immer tun sich Arbeitgeber schwer, flexible Arbeitszeitmodelle und mobile Arbeitsplätze anzubieten.“ Vor allem, wenn es um die Besetzung von Führungspositionen mit Frauen ginge, sei die Verweigerungshaltung der öffentlichen Arbeitgeber immens: „Was uns hier nur helfen kann, sind klare gesetzliche Vorgaben, die im Dienste der gleichen Teilhabe von Männern und Frauen stehen. Der Aufruf zur freiwilligen Frauenförderung hat uns in den vergangenen 20 Jahren keinen Schritt weitergebracht!“, so Wildfeuer.

Kleindiek: Verbindliche Regelungen für mehr Gleichberechtigung

Dr. Ralf Kleindiek, Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), bot in seinem Grußwort der dbb bundesfrauenvertretung die intensive Zusammenarbeit mit dem BMFSFJ an. Er zeigte sich überzeugt, dass Gleichstellung nur durch verbindliche Regelungen erreicht werden könne. Deshalb werde sein Haus noch in diesem Jahr einen Gesetzesentwurf zur Entgeltgleichheit auf den Weg bringen, denn dies sei „eines der wichtigsten gleichstellungs- und sozialpolitischen Themen der kommenden Legislaturperiode.“ Ferner werde das Bundesgleichstellungsgesetz präzisiert und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärker ausgestaltet. Für Aufsichtsräte werde eine Frauenquote von 30 Prozent festgeschrieben, und in Aufsichtsgremien öffentlicher Einrichtungen müsse eine 50/50-Besetzung erreicht werden. „Wir haben nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen“, zeigte sich Kleindiek überzeugt.

Benra: Geschlechtergleichheit in der Haushaltspolitik umsetzen

Die Grüße des dbb überbrachte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik Hans-Ulrich Benra. Er unterstrich den Handlungsbedarf in Sachen Gleichstellung auch im öffentlichen Dienst, zu der Gender Budgeting einen wichtigen Beitrag leisten könne, indem das Prinzip der Geschlechtergleichheit in der Haushaltspolitik umgesetzt werde. Der dbb Vize wies mit Blick auf die Gender Budgeting-Diskussion unter anderem auch auf die angekündigte Flexibilisierung des Elterngeldes, die Verbesserung der Kindertagesbetreuung und auf die Notwendigkeit hin, die Rückkehr von Teilzeit- auf Vollzeitstellen zu erleichtern. Zudem forderte Benra erneut, die sogenannte Mütterrente im Ergebnis ohne Abstriche auf das Beamten- und Versorgungsrecht zu übertragen. „Letztlich ist das auch eine Frage der Bezahlungsgerechtigkeit unter Genderaspekten“, sagte Benra.

Österreich: ein Vorbild?

Grüße aus Österreich überbrachte Angelika Flatz, Sektionschefin für den öffentlichen Dienst im österreichischen Bundeskanzleramt. Sie berichtete selbstkritisch über zehn Jahre praktische Erfahrungen mit geschlechtersensibler Haushaltsführung in Österreich. „Ich sage es gleich, Gleichstellung ist zwar in der Verfassung verankert, aber in der Praxis ist noch einiges zu tun“, so die Sektions-Chefin.

Wie es in der Praxis gelinge, gleiche Bildungschancen als Einstieg in den Arbeitsmarkt zu vermitteln, Frauen die Rückkehr in das Erwerbsleben nach Unterbrechungen zu erleichtern oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf etwa durch Telearbeit zu fördern, gehe aus einem jährlichen Bericht zur Erfolgsmessung an den Nationalrat hervor. Bei allen Erfolgen im Detail sei ein „Kulturwandel“ notwendig, damit die Gleichstellung von Mann und Frau integraler Bestandteil einer nachhaltigen Verwaltungssteuerung werden könne.

Impulse aus der Praxis

Den Grußworten schlossen sich in straffer Folge drei Impulsvorträge an, die Aspekte des Gender Budgeting aus praktischer und theoretischer Sicht vorstellten. Marion Böker, Beraterin für Menschenrechte und Genderexpertin, referierte über die politisch-theoretischen Grundlagen des Gender Budgeting. Klaus Feiler, Finanzstaatsekretär in Berlin, zeigte Erkenntnisse und Erfordernisse auf, die Berlin seit Einführung des Gender Budgeting in den Landeshaushalt 2001 gewonnen und bewältigt hat. Dr. Regina Frey, Leiterin des genderbüro Berlin, berichtete über die Umsetzung des Gender Budgeting im Bundesprogramm Europäische Sozialfonds (ESF). Auch hier herrschte – unabhängig aller Details – Einigkeit im Ergebnis: Einführung, Umsetzung und Controlling von Gender Budgeting-Prozessen seien eine Machtfrage. Benötigt würden absolute Haushaltstransparenz, klare Anforderungen und Aufträge durch Parlament und Regierung sowie ein systematisches Controlling, das die gendergesteuerten Maßnahmen und Programme auf deren Gleichstellungswirkung untersuche.

Debatte: Die Politik muss handeln

An den Schluss der Tagung hatte die Regie eine Podiumsdiskussion gesetzt. Moderiert von Christine Rose (BR) fassten Dr. Gesine Lötzsch (MdB), Ekin Deligöz (MdB), Sektions-Chefin Angelika Flatz und Prof. Dr. Hans Hofmann, Leiter der Zentralabteilung des BMI, Erfordernisse des Gender Budgeting zusammen und formulierten Handlungsperspektiven. Einigkeit herrschte unter den Diskutanten, dass die Umsetzung von Gender Budgeting ein langwieriger Prozess sei, der Fahrt aufgenommen habe, aber noch lange nicht beendet sei. Dies könne ohnehin nur gelingen, wenn der allgemeine politische Wille zu Veränderungen gegeben sei und in der Bevölkerung zudem akzeptiert werde, dass die tradierten Lebensverhältnisse zugunsten partnerschaftlichen Geschlechterverhaltens umgestaltet werden müssten.

Der öffentliche Dienst sei „familienfreundlicher als die gesamte Wirtschaft“, erklärte Hofmann, und das Bundesbesoldungsgesetz geschlechtsneutral. Dass es dennoch weniger Frauen in Führungspositionen gebe und Beförderungen für Teilzeitkräfte seltener seien als für Vollzeitkräfte, gehe auf private Lebensentscheidungen in den Familien zurück, die nicht beeinflusst werden könnten.

„Das öffentliche Dienstrecht ist geschlechtsneutral“, griff Helene Wildfeuer den Gedanken in ihrem Schlusswort auf. „Das ist richtig: Nur bei der Umsetzung hapert es immer noch gewaltig.“ Das Thema Gender Budgeting sei ins öffentliche Bewusstsein gerückt, die Vorteile unstreitig. Die Tagung habe deutlich gemacht, dass bestehende Machtstrukturen durchbrochen werden müssten, um schließlich eine Veränderung der allgemeinen Lebensverhältnisse zu erreichen.

 

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