Widerstandsfähigkeit der öffentlichen Dienste

Der dbb begrüßt den Vorschlag einer EU-Regelung zu Einrichtungen der kritischen Infrastruktur. Der Rat der Europäischen Union hatte sich Ende Dezember 2021 mit dem Entwurf einer Richtlinie über die Widerstandsfähigkeit kritischer Einrichtungen befasst. Die Richtlinie zielt darauf ab, die Anfälligkeit kritischer Infrastrukturen und Systeme in neun Sektoren zu verringern und ihre Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Für den dbb ist diese Richtlinie von großer Wichtigkeit, da hierdurch auch die Widerstandsfähigkeit der öffentlichen Dienste verbessert werden soll. Der dbb richtet einige Forderungen an die Bundesregierung.

Die in der Richtlinie genannten Einrichtungen umfassen physische Infrastrukturen und erbringen wichtige Dienstleistungen, von denen die Lebensgrundlage der Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union und das problemlose Funktionieren des Binnenmarkts abhängen. Das Verhandlungsmandat des Rates umfasst die Bereiche Energie, Verkehr, Banken, Finanzmarktinfrastruktur, Gesundheit, Trinkwasser, Abwasser, digitale Infrastruktur und Weltraum.

Laut slowenischem Innenminister Aleš Hojs haben eine Reihe von Krisen in den letzten Jahren, darunter Terroranschläge, Covid-19 und extreme Wetterbedingungen, die kritische Infrastrukturen und Systeme gefährdet und gezeigt, dass mehr getan werden kann, um auf die Krisen der Zukunft vorbereitet zu sein. Die Stärkung der Widerstandsfähigkeit Europas war deshalb auch eine der Prioritäten der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2021.

Gemäß der nun im Rat vereinbarten Position müssen die EU-Mitglieder eine Strategie zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit ihrer kritischen Einrichtungen entwickeln, mindestens alle vier Jahre eine Risikobewertung durchführen und wesentliche Einrichtungen identifizieren, die lebenswichtige Dienstleistungen erbringen. Kritische Einrichtungen müssen die relevanten Risiken ermitteln, die die Erbringung wesentlicher Dienste erheblich stören können, geeignete Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Widerstandsfähigkeit ergreifen und den zuständigen Behörden Störfälle melden.

Die Europäische Kommission hatte im Dezember 2020 den Richtlinienentwurf zu kritischen Infrastrukturen und einen Richtlinienentwurf zur Cybersicherheit vorgelegt. Mit dem Vorschlag soll nun die derzeitige Richtlinie über die Ermittlung und Ausweisung europäischer kritischer Infrastrukturen aufgehoben und ersetzt werden.

Der dbb bekräftigt, dass kritische Einrichtungen in der gesamten EU wesentliche Dienstleistungen erbringen und dabei mit einer wachsenden Zahl von Bedrohungen konfrontiert sind. Es sei daher von großer Bedeutung, ihre Fähigkeit zur Bewältigung von Risiken für ihren Betrieb zu stärken und gleichzeitig das Funktionieren des Binnenmarktes für wesentliche Dienstleistungen zu verbessern.

Hierbei sei zu begrüßen, dass durch die Richtlinie die Widerstandsfähigkeit der öffentlichen Dienste und der Infrastruktur verbessert werden sollen. Mit Blick auf die Pandemie, die Hochwasser-Katastrophe, den Angriff Russlands auf die Ukraine sowie die zunehmende Gefahr durch Cyberangriffe handele es sich um eine den jüngsten Geschehnissen Rechnung tragende Maßnahme. Da auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten davon auszugehen sei, dass Krisen wie eine Pandemie erneut stattfinden können, betont der dbb, dass die öffentlichen Dienste Europas hierfür besser gewappnet sein müssten. „Die Beschäftigten der öffentlichen Dienste haben trotz widriger Umstände, notorischem Personalmangel und mangelhafter Sachausstattung mit großem Einsatz dazu beigetragen, die Krise zu beherrschen.“

Die neuen Rechtsvorschriften über die Widerstandsfähigkeit kritischer Einrichtungen sollen zur Stabilität der europäischen gesellschaftlichen Ordnung beitragen, indem sie den Mitgliedstaaten helfen, Störfälle zu verhindern, ihnen zu widerstehen und sich von ihnen zu erholen. Daher sieht es auch der dbb als großen Mehrwert, einen unionsweiten Rahmen zu schaffen, der sowohl darauf abzielt, die Resilienz kritischer Einrichtungen im Binnenmarkt durch die Festlegung eines harmonisierten Minimums an Verpflichtungen zu verbessern, als auch darauf, diesen Einrichtungen durch kohärente, gezielte Unterstützungs- und Aufsichtsmaßnahmen zu helfen.

Während der Covid-19 Pandemie gab es anfänglich große Effizienzverluste aufgrund von schlecht aufeinander abgestimmten nationalen Reaktionen. Gleichzeitig wurde jedoch auch der europäische Mehrwert bei der solidarischen Krankenversorgung, der Übernahme von Patientinnen und Patienten aus besonders schwer betroffenen Regionen deutlich. Es muss aus Sicht des dbb verhindert werden, dass die EU-Staaten sich in einer vergleichbaren Krise erneut voneinander abschotten und die europäischen Grundfreiheiten nicht mehr funktionieren. Eine Sicherstellung der notwendigen Ressourcen, dort wo sie für die kritische Infrastruktur gebraucht werden, könne sonst nicht garantiert werden.

Der dbb ist sich bewusst, dass bereits auf Ebene der Europäischen Union und auch auf nationaler Ebene Maßnahmen zum Schutz der kritischen Infrastrukturen in der EU existieren. Allerdings bedürfe es hier einer besseren gesetzlichen Grundlage. Nur so könne gezielt auf die operativen Risiken reagiert werden, welche die Erbringung von wesentlichen Diensten stören können.

Von der Bundesregierung erwartet der dbb in diesem Zusammenhang, kritische Einrichtungen zu ermitteln, welche auf der einen Seite besonderen Anforderungen und einer spezifischen Aufsicht unterliegen sollen und auf der anderen Seite gegenüber allen einschlägigen Risiken in besonderem Maße unterstützt und mit speziellen Leitfäden ausgestattet werden sollen. Auch die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sollen diese kritischen Einrichtungen ermitteln. Dies ist von großer Bedeutung, um ein hohes Resilienzniveau zu erreichen.

Außerdem soll die Bundesregierung Behörden benennen, welche für die Überwachung der Anwendung der Richtlinie sowie für die Durchsetzung ihrer Vorschriften zuständig sind. Der dbb betont, dass diese Behörden über angemessene Befugnisse und Ressourcen verfügen müssen. Außerdem fordert der dbb eine angemessene Einbeziehung der Beschäftigten und einen konstruktiven sozialen Dialog.

Der dbb gibt zu bedenken, dass die Bundesregierung die Richtlinie nicht so auslegt, dass sie die Zuständigkeiten der Bundesrepublik und ihrer Behörden in Bezug auf die Verwaltungsautonomie, die Organisation und die Arbeitsweise der Justiz oder der Parlamente beziehungsweise deren Verantwortung für die Wahrung nationaler Interessen berührt.

Der dbb betont, dass die Bundesregierung eine individuelle Bewertung von Einrichtungen durchführen muss, welche die Kriterien für die Einstufung als kritische Einrichtung erfüllen, aber auch hauptsächlich Tätigkeiten in den Bereichen nationale Sicherheit, Verteidigung, öffentliche Sicherheit oder Strafverfolgung durchführen. Die Bewertung der jeweiligen Tätigkeiten ist dafür verantwortlich, ob Einrichtungen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

Schließend fordert der dbb, dass die Bundesregierung eine Strategie vorlegt, in welcher die Ziele und politischen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie festgelegt sind. Bestehende politische Strategien seien zu berücksichtigen und müssten gleichzeitig mit der europäischen Gesamtstrategie kompatibel sein.

 

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