Streitgespräch

„Soziale Markwirtschaft oder vermarkteter Sozialstaat“

Armin Laschet, Vorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen, und Wolfgang Kubicki, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP, trafen bei der dbb Jahrestagung am 7. Januar 2014 zum Streitgespräch über die Zukunft des Sozialstaats und der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland zusammen. „Soziale Marktwirtschaft oder vermarkteter Sozialstaat?“ lautete die Frage des von Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunk, moderierten Gesprächs. Beide Politiker zeigten sich überzeugt, dass Deutschland die anstehenden Herausforderungen nur werde meistern können, wenn weiter Wirtschaftswachstum erreicht wird – grundlegende Voraussetzung hierfür: der Standortfaktor öffentlicher Dienst.

„Die Politik wird sich aufgrund der Schuldenbremse sehr genau überlegen müssen, für was sie Geld ausgibt“, betonte CDU-Vertreter Armin Laschet. Insofern sei auch eine ordnungspolitische Diskussion darüber angezeigt, auf welche Kernaufgaben sich der Staat und sein öffentlicher Dienst in Zukunft konzentrieren sollten. FDP-Vize Kubicki zeigte sich optimistisch: „Wenn die Wirtschaft gut läuft, wird der Staat auch mehr Geld haben“, und Laschet ergänzte: „Wir haben aktuell eine wirtschaftliche Lage mit hohem Beschäftigungsstand, die dafür sorgt, dass Bund, Länder und Kommunen mehr Geld einnehmen als je zuvor. Da müssen wir dafür sorgen, dass das so bleibt.“

Videoaufzeichnung des Streitgesprächs

Armin Laschet unterstrich, dass zum Erreichen einer Ausgewogenheit zwischen staatlichen Leistungen und privaten Initiativen das Verhältnis zwischen individueller Eigenverantwortlichkeit und Gemeinwohlorientierung entscheidend sei. Wolfgang Kubicki verwies auf die Tatsache, dass es angesichts des demografischen Wandels in Zukunft nicht nur auf die deutschen Bürgerinnen und Bürger allein ankomme, sondern insbesondere qualifizierte Zuwanderer gebraucht würden, um Wirtschaftswachstum, sozialen Wohlstand und Sicherheit in der Bundesrepublik überhaupt nachhaltig sicherzustellen: „Ohne Zuwanderung schaffen wir das nicht.“

Beide Politiker betonten, dass der im öffentliche Dienst eine deutliche Attraktivitätssteigerung brauche, um auch in Zukunft jenes Personal gewinnen und einsetzen zu können, das für ein funktionierendes Staats- und Gemeinwesen erforderlich sei. Kubicki entgegnete auf die gestrigen Ausführung von Bundesinnenminister de Maizière, dass der öffentliche Dienst ausschließlich nach Kassenlage gestaltet werden dürfe: „Die Mitarbeiter sind doch nicht verantwortlich für die Kassenlage. Deswegen müssen die öffentlichen Arbeitgeber die Kassenlage gegenüber ihren Beschäftigten generell ausblenden. Wenn der öffentliche Dienst seine Mitarbeiter nicht ordentlich alimentiert, dann müssen wir uns nicht Gedanken machen, wie wir Personal abbauen, sondern wie wir die Stellen überhaupt besetzen wollen, von denen in den nächsten Jahren tausende Menschen altersbeding verschwinden werden. Wir bekommen die Menschen nur, wenn wir ihnen ein attraktives Gesamtpaket bieten; die Arbeitsplatzsicherheit ist nicht mehr das ausschlaggebende Argument. Junge Leute wollen einfach einen attraktiven Job und Karriereperspektiven.“

Laschet sieht ebenfalls in der Bezahlung der Beschäftigten einen entscheidenden Attraktivitätsfaktor und forderte eine neue Kultur des Umgangs mit den begründeten Systemunterschieden zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst: „Wir müssen die Öffentlichkeit für die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes im allgemeinen und des Berufsbeamtentums im besonderen gewinnen.“ Kubicki ergänzte: „Der Umgang mit den Beamten, etwa in punkto Übertragung der Tarifergebnisse, nährt doch allerorten das Vorurteil in der Bevölkerung, dass die Beamten ohnehin zu viel verdienten. Kein anderer Berufszweig würde einen solchen Umgang mit seinen Beschäftigten zulassen, im öffentlichen Dienst ist das gang und gäbe. Wenn wir als Politiker nichts dagegen tun, brauchen wir von Attraktivität des öffentlichen Dienst als Arbeitsplatz gar nicht erst reden.“

Auch in punkto Rückstellungen für die Beamtenversorgung sahen beide Politiker Defizite. „Dass in den Ländern keine Pensionsrückstellungen gebildet wurden, ist weder Schuld der Beschäftigten noch des Bundes. Die Länder sind da in der Pflicht“, betonte CDU-Mann Laschet und warnte davor, die Beamtenversorgung wie andere Alterssicherungssysteme oder berufsständische Versorgungswerke zu organisieren. „Damit würde man den Staat aus der Verantwortung entlassen. Wir sollten hier beim bewährten System bleiben und den Staat gesetzlich verpflichten, Rücklagen zu bilden. Woher er das Geld bekommt, muss er sich selbst überlegen.“ Kubicki betonte, dass die Rücklagen „zugriffsfest“ gestaltet werden müssten.

 

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