Konferenz zur Zukunft Europas

Welche Themen sollen in den nächsten Jahren vorrangig in europäischer Zusammenarbeit behandelt, welche Probleme auf europäischer Ebene gelöst werden? Und wie können die EU-Institutionen auf der Basis der bestehenden Verträge – oder gar einer neuen rechtlichen Grundlage – besser funktionieren, um den Mehrwert der europäischen Integration sichtbarer zu machen und ihre demokratische Legitimation zu erhöhen? Diesen Fragen soll die Konferenz zur Zukunft Europas nachgehen, die am 9. Mai 2020 ihre Arbeit aufnehmen wird.

Schon der Starttermin ist symbolträchtig, denn der diesjährige 9. Mai ist kein gewöhnlicher Europatag. Es ist der 70. Jahrestag der Schuman-Erklärung und zugleich der 75. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs.

Die Konferenz soll nicht allein von den Ideen und Interessen der politischen Eliten bestimmt werden, sondern ganz normale Menschen einbeziehen. Mehr Bürgerbeteiligung soll die demokratische Qualität der Europäischen Union verbessern und dabei helfen, Weichen für eine künftige EU-Reform zu stellen. Das will die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die bereits in ihren politischen Leitlinien angekündigt hatte, die Bürgerinnen und Bürger stärker am politischen Prozess teilhaben zu lassen. „Ich wünsche mir, dass sich alle Europäerinnen und Europäer aktiv in die Konferenz zur Zukunft Europas einbringen und ihnen eine maßgebliche Rolle bei der Festlegung der Prioritäten der Europäischen Union zukommt“, erklärte von der Leyen am 22. Januar bei der Vorstellung ihrer Pläne für die Konferenz zur Zukunft Europas.

Für mehr direkte Bürgerbeteiligung machen sich besonders der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und seine Bewegung La République En Marche (LaREM) sowie die Fraktion Renew Europe im Europäischen Parlament stark, in der die Franzosen nach dem Brexit vom 31. Januar die meisten Abgeordneten stellen. Renew Europe ist die nach den 2019er Europawahlen gegründete Nachfolgefraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), der auch die deutsche FDP angehört. Das Europäische Parlament insgesamt hat sich in seiner Entschließung vom 15 Januar für die Beteiligung zufällig geloster Bürgerinnen und Bürger ausgesprochen.

Das Parlament befürwortet wie die Kommission Foren oder „Agoren“ per Los ausgewählter Bürgerinnen und Bürger, in denen die europäischen Zukunftsfragen behandelt werden sollen, um in die Beratungen der Konferenz einfließen zu können. Das Parlament legt aber Wert auf seine Rolle als einzig direkt demokratisch legitimiertes EU-Organ. An der Konferenz selbst sollen in erster Linie Vertreterinnen und Vertreter der Institutionen, allen voran des Parlaments selbst, wie auch der nationalen Parlamente teilnehmen. Die Kommission spricht sich deutlicher für „offene, inklusive, transparente und strukturierte Debatten mit Bürgerinnen und Bürgern“ aus und zeigt sich entschlossen, die in diesen Debatten erzielten Ergebnisse weiterzuverfolgen. Demgegenüber sprechen sich die Regierungen der Mitgliedstaaten im Rat überwiegend für unverbindliche Bürgerdialoge aus, wie sie überhaupt davor zurückzuschrecken scheinen, aus der Konferenz eine Art Vorkonvent zu machen.

Viel Zeit bleibt nicht mehr, den richtigen Weg zu finden. Bürgerbeteiligung dürfe kein Feigenblatt sein, keine Schauveranstaltung sagen Kritiker. In Brüssel ist die Sorge zu hören, die repräsentative Demokratie, der Parlamentarismus könne Schaden nehmen. Schließlich sind es gerade Populisten und Extremisten, die mehr direkte Demokratie fordern. Die Kommission hält dem entgegen, es gehe bei der geplanten Bürgerbeteiligung nicht um direkte Demokratie. Unklar bleibt einstweilen, wo die Grenzen zwischen direkter Demokratie und verbindlicher Bürgerbeteiligung mit weiterzuverfolgenden Ergebnissen verlaufen sollen. Offen bleibt auch, welches Gewicht neue Formen der Partizipation haben können, denn jedes einzelne der 27 Mitglieder im Europäischen Rat behält in allen wesentlichen konstitutionellen Fragen sein Vetorecht.

 

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