Reform der PflegeversicherungPrävention ernst nehmen und Selbständigkeit erhalten
Die angedachte Abschaffung von Pflegegrad 1 ist aus Sicht der dbb bundesseniorenvertretung ein sozialpolitischer Irrweg.
„Überlegungen, den rund 860 000 Menschen mit Pflegegrad 1 die überwiegend niedrigschwelligen Unterstützungsleistungen zu entziehen, weisen wir entschieden zurück“, sagte Horst Günther Klitzing, Vorsitzender der dbb bundesseniorenvertretung, am 30. September 2025 in Berlin. „Eine Reform auf Kosten frühzeitig Pflegebedürftiger und der sie pflegenden Angehörigen wäre kurzsichtig und unsozial. Medienberichte, wonach die Bundesregierung in der anstehenden Pflegereform die Streichung des Pflegegrads 1 erwägt, alarmieren uns als dbb bundesseniorenvertretung.“
Politischen Fehler mit Ansage unbedingt vermeiden
Klitzing erläuterte: „Der Pflegegrad 1 ist die Brücke, die Menschen mit beginnenden Einschränkungen im Alltag hält: Haushaltshilfe, Betreuung, kleine Umbauten – genau das verhindert oft, dass Probleme eskalieren und rasch teure Folgekosten entstehen. Diese Brücke einzureißen, wäre ein politischer Fehler mit Ansage.“ Vielmehr müsse die Selbständigkeit der Betroffenen durch Präventionsmaßnahmen möglichst lange erhalten werden, pflegende Angehörige unterstützt und das System stationärer Pflege vor Überlastung geschützt werden, sagte er zu den Hintergründen. Einsparungen an der Präventionsstufe erhöhten die Pflegekosten: Wer heute keine Hilfe im Alltag finanzieren könne, brauche morgen eher Pflegedienst, Krankenhaus oder Heimplatz. Die Prävention müsse über einen vereinfachten Entlastungsbetrag gestärkt werden.
„Eine solide Finanzierung der Pflegeversicherung kann nicht auf dem Rücken älterer Menschen und ihrer Familien erzielt werden“, resümierte der Chef der dbb-Senioren. „Wie vor jeder anderen Strukturreform auch müssen auf der Grundlage belastbarer Zahlen zu Betroffenen, Versorgungslücken und Kosten die Folgen transparent abgeschätzt werden.“
Hintergrund: Seit 2017 ersetzen Pflegegrade die früheren Pflegestufen. Pflegegrad 1 richtet sich an Menschen mit geringen Beeinträchtigungen; er gewährt noch kein Pflegegeld, aber niedrigschwellige Leistungen (Entlastungsbetrag, Pflegeberatung, Kurse, Hilfsmittel, Wohnumfeld-Anpassungen), die den Alltag tragfähig halten. Eine Streichung träfe damit genau den präventiven Unterbau der Pflegeversicherung – und wäre aus Sicht der dbb bundesseniorenvertretung der falsche Hebel in einer Reform.