TTIP und TiSA: Keine Generalkritik, aber größte Vorsicht
dbb Vize Ulrich Silberbach sprach am 5. November mit Vertretern der Europäischen Kommission und EU-Abgeordneten über das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) und die internationalen Verhandlungen über ein Handelsabkommen über Dienstleistungen (TiSA). „Es geht mir um eine sachliche Auseinandersetzung“, sagte Silberbach mit Blick auf die verhärteten Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern der Abkommen in Deutschland. Silberbach betonte die dbb Forderung nach mehr Transparenz und Beteiligung.
In den Gesprächen mit dem Verhandlungsführer der Europäischen Kommission zu TiSA, Ignacio Iruarrizaga Díez, und dem TTIP-Unterhändler Marco Dueerkop erklärte Silberbach, der dbb werde keine unbegründeten Ängste gegen das Abkommen schüren. Iruarrizaga versicherte Silberbach, öffentliche Dienstleistungen seien von den Abkommen nicht betroffen. „Wir werden sehr genau beobachten, ob es zutrifft, dass öffentliche Dienstleistungen effektiv nicht von dem Abkommen berührt werden“, sagte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende.
Die sozialdemokratischen Abgeordneten Evelyne Gebhardt und Bernd Lange, der zuständige Berichterstatter im Europäischen Parlament, sprachen sich klar für einen sachlichen Umgang mit TTIP und TiSA aus. Sie sprachen sich aber ebenso klar gegen den Investorenschutz durch den umstrittenen Streitbeilegungsmechanismus (ISDS) und die damit verbundene Rolle internationaler Schiedsgerichte aus. „ISDS ist ein Instrument aus dem letzten Jahrhundert“, so Lange. Gebhardt und Lange zeigten sich überzeugt, das Parlament werde seine Zustimmung nur geben, wenn öffentliche Dienstleistungen in Europa nicht gefährdet würden.
Auch gegenüber der EVP-Schattenberichterstatterin Godelieve Quisthoudt-Rowohl (CDU) betonte Silberbach die für den dbb essentiell zu beachtenden Grundsätze. „Die Daseinsvorsorge darf nicht berührt werden. Der Erhalt der kommunalen Selbstverwaltung ist nicht verhandelbar. Sie darf nicht relativiert werden.“ Auch Quisthoudt-Rowohl sicherte ihre aufmerksame Beobachtung der Verhandlungen im Sinne des Schutzes öffentlicher Dienstleistungen zu. Silberbach erinnerte an die so genannte Ratchet-Klausel, die Rekommunalisierungen einmal privatisierter Dienste verbiete. „Solche Bestimmungen lehnt der dbb entschieden ab“, so Silberbach.
Der Präsident der Europäischen Grünen, Reinhard Bütikofer, warnte vor der für öffentliche Dienstleistungen vorgesehenen Negativliste. Diese Negativliste soll schätzungsweise 150 Dienstleistungen umfassen, die in öffentlich-rechtlichem Auftrag erfolgen und für die der Freihandel keine neuen, womöglich den Markt für private Anbieter öffnenden Regeln mit sich bringen soll. Silberbach stimmte mit Bütikofer, der sich sehr kritisch gegenüber den gegenwärtigen Verhandlungen zu TTIP und TISA zeigte, überein, dass eine solche abschließende Liste problematisch sei, weil sie neue öffentliche Aufgaben möglicherweise nicht mehr erlaube, aber auch wegen der Schwierigkeit der exakten Erfassung und Definitionen aller relevanten Bereiche des öffentlichen Sektors.
Der dbb Vize will die weitere Entwicklung der Verhandlungen aufmerksam verfolgen. Freihandel sei prinzipiell gut und wichtig. „Unsere Wirtschaft in Europa braucht zusätzliche Wachstumsimpulse. Nur wenn die Wirtschaft wächst, hat auch der öffentliche Dienst eine gute Zukunft. Der dbb wird sich in Sachen TTIP und TiSA wie bisher differenziert und umsichtig positionieren, dabei aber sehr genau darauf achten, dass keine roten Linien überschritten werden.“