dbb magazin 7/8 2015 - page 4

Interview mit Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen:
„Wir wollen keine neuen Schulden
Laurence Chaperon
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Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble
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Der Länderfinanzausgleich läuft
2019 aus und muss neu gere-
gelt werden. Sie haben Vor-
schläge dafür unterbreitet, die
unter anderem NRW und den
Geberländern Baden-Württem-
berg, Bayern, Hamburg und Hes-
sen entgegenkommen. Die neu-
en Bundesländer haben ganz
andere Vorstellungen. Wird es
einen Kompromiss geben?
<<
Schäuble
Es ist nicht richtig, dass unsere
Vorschläge den von Ihnen ge-
nannten Ländern besonders
entgegenkommen. Der Bund ist
bereit, zu einem transparente-
ren und anreizgerechteren Fi-
nanzausgleichssystem beizutra-
gen und den Ländern hierfür
erhebliche zusätzliche Mittel
bereitzustellen. Alle Länder
würden dadurch nach 2019
deutlich mehr Geld zur Verfü-
gung haben als nach geltendem
Recht; die ostdeutschen Länder
würden sogar je nach Ausge-
staltung unter dem Strich über-
proportional gewinnen. Das ge-
nügt aber vielen Ländern nicht.
Einige wollen Geld vom Bund
haben, ohne dass sich struktu-
rell irgendwas in unserem föde-
ralen Gemeinwesen verändert.
Die Interessen der Länder sind
zudem sehr unterschiedlich.
Auch deshalb haben die Länder
große Schwierigkeiten, sich auf
eine gemeinsame Position zu
verständigen, die über bloße
finanzielle Forderungen an den
Bund hinausgeht. Dies ist si-
cherlich der größte Hemm-
schuh in den bisherigen Ge­
sprächen. Wir haben nun erst
einmal vereinbart, dass es an
den Ländern ist, eine gemein­
same Position zu entwickeln.
Dann schauen wir weiter. In
jedem Fall bleibt der Bund ge-
sprächsbereit. Und ich bleibe
optimistisch.
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Sie werden in den kommenden
Jahren mehr investieren kön-
nen als geplant, weil laut
jüngster Steuerschätzung
deutlich mehr Steuern einge-
nommen werden als erwartet.
Wie werden Sie diese zusätzli-
chen Mittel nutzen? Zur Steu-
erentlastung der Bürger? Zum
Altschuldenabbau?
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Schäuble
Der Koalitionsvertrag gibt zu-
nächst einmal eine klare Rich-
tung vor: Wir wollen keine
neue Schulden mehr machen.
Bereits im vergangenen Jahr
konnten wir zum ersten Mal
seit 1969 die Ausgaben und
Einnahmen des Bundes im
Vollzug ohne neue Schulden
ausgleichen. Dies soll so blei-
ben. Der Finanzplan bis 2019,
der im Übrigen die aktuelle
Steuerschätzung aus demMai
berücksichtigt, sieht deshalb in
jedem Jahr eine Nettokredit-
aufnahme von null vor. Wenn
es darüber hinaus zusätzliche
Spielräume im Haushalt geben
sollte, werden wir diese für
weitere wichtige Zukunftsin-
vestitionen einsetzen – so wie
wir das bereits mit unserem im
Herbst 2014 beschlossenen
Zehn-Milliarden-Euro-Gesamt-
paket zur Stärkung von Investi-
tionen getan haben. Darüber
sind wir uns in der Koalition
einig. Mit dem Zehn-Milliar-
den-Paket stärken wir in den
Jahren bis 2018 insbesondere
die öffentliche und digitale In­
frastruktur, die Energieeffizi-
enz, den Klimaschutz und den
Städtebau. Gleichzeitig entlas-
ten wir auch die Steuerzahler.
Insbesondere Arbeitnehmer
und Familien werden schon ab
diesem Jahr jährlich ummehr
als fünf Milliarden Euro entlas-
tet: durch die Anhebung des
Grundfreibetrags, den Abbau
der kalten Progression und
durch die Anhebung familien-
politischer Leistungen. Zudem
hilft der Bund bis 2018 insbe-
sondere den finanzschwachen
Kommunen mit zusätzlich fünf
Milliarden Euro. All dies zeigt,
dass sich unsere Konsolidie-
rungsanstrengungen der letz-
ten Jahre gelohnt haben. Die
so gewonnenen Spielräume
haben wir eingesetzt, um den
drängenden Problemen unse-
rer Zeit zu begegnen. Und dies
wird auch die weitere Richt-
schnur unserer Haushalts- und
Finanzpolitik sein.
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Zur Eindämmung der Steuer-
hinterziehung, durch die der
Fiskus geschätzte 50 Milliarden
Euro jährlich verliert, schlagen
Ökonomen vor, den Bargeld-
umlauf deutlich zu reduzieren
und verstärkt „Plastikgeld“,
sprich Bank- oder Kreditkarten,
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